Wir - die BI und der DGB Wiesbaden/Rheingau-Taunus - bedanken uns sehr herzlich bei den OB-KandidatInnen für ihre Bereitschaft, unsere Fragen zur Wohnungspolitik in Wiesbaden zu beantworten.
Unsere Fragen - und die Antworten:
1. Welche Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um der Mietpreisexplosion in Wiesbaden entgegen zu wirken?
Christiane Hinninger (B`90/Die Grünen):
Um der dramatischen Mietenentwicklung entgegenzuwirken, bedarf e seines umfassenden Konzeptes mit abgestimmten Maßnahmen, die sowohl im Wohnungs-bestand wie beim Neubau wirken. Wesentliche Kompetenzen liegen hier auf Bundes- und Landesebene. Aber auch in der Kommune kann viel getan werden: Begrenzung der Mietsteigerungen bei städtischen Wohnungen und Umzugsmanagement ohne höhere Miete/qm wie sonst bei Neuvermietung, Maßnahmen gegen Wohnraum-zweckentfremdung, Nachverdichtung und Aufstockungen wo verträglich und auch gezielter Neubau bezahlbarer Wohnungen sowie eine langfristig angelegte soziale Bodenpolitik.
Gert-Uwe Mende (SPD):
Für mich hat die Schaffung von zusätzlichem bezahlbarem Wohnraum die höchste Priorität. Nicht genug bezahlbare Wohnungen zu bauen, treibt die Preise weiter in die Höhe. Das wäre eine Politik auf dem Rücken derjenigen, die mit normalen oder geringen Einkommen über die Runden kommen müssen. Wohnraum schaf-fen heißt aber mehr als allein Neubau - auch Nachverdichtungen, die Verlänge-rung von Belegrechten und eine wirksame Mietpreisbremse sind notwendig. Die Kommune muss alle Register ziehen, um die Preisexplosion zu stoppen. Ich wünsche mir allerdings, dass auch die schwarz-grüne Landesregierung endlich mitzieht und ihre Hausaufgaben macht. Von der Bereitstellung der erforderlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau bis zum rechtlichen Rahmen. Wenn zum Beispiel der grüne Staatsminister Tarek Al-Wazir sagt, dass in den vergangenen Jahren keine Zunahme von Zweckentfremdung von Wohnraum zu beobachten wäre, widerspricht das den Erfahrungen vor Ort.
Sebastian Rutten (FDP):
Gegen steigende Mieten hilft nur eine Ausweitung des Wohnungsangebots. Deswegen müssen die Ausweisung neuer Baugebiete und die Nachverdichtung im Bestand beschleunigt werden. Sollten dazu Veränderungen im bestehenden Flächennutzungsplan notwendig sein, müssen diese zügig beschlossen werden.
Eberhard Seidensticker(CDU):
Das beste Rezept gegen steigende Mieten ist der Bau von Wohnungen. Aktuell befinden sich eine Vielzahl von Planungs- und Bauprojekten in der Realisierungs-phase: Nordenstadt Hainweg, Bierstadt Wolfsfeld II, Quartier Oberlin in Bierstadt, das ehemalige Dyckerhoff-Gelände in Erbenheim, das ehemalige American Arms Gelände oder die Nachverdichtung Schelmengraben, um nur mal einige Projekte zu nennen. Wichtig ist, dass Wiesbaden dran bleibt und weiterhin neue Gebiete entwickelt werden, um Wohnraum zu schaffen. Eine Basis dafür ist das Wiesba-dener Stadtentwicklungskonzept WISEK. Es bietet ausreichend Möglichkeiten weitere Wohnungspotentiale im Wiesbadener Stadtgebiet zu erschließen. An der Umsetzung muss weiter konsequent gearbeitet werden. Dafür würde ich mich als Oberbürgermeister einsetzen.
Ingo von Seemen(Die Linke):
Ich möchte bei allen Neubauprojekten eine Quote für sozialen Wohnungsbau von mindestens 40%. Außerdem sollen die städtischen Wohnungsgesellschaften die Mieten in den nächsten 10 Jahren um maximal 1% pro Jahr erhöhen dürfen. Die Stadt muss aufhören ihre Grundstücke höchstbietend zu verkaufen. Sie soll lieber selbst bauen. Wir brauchen eine bessere Durchmischung der Stadtteile. Daher muss es auch in Sonnenberg und anderen Stadtteilen Sozialwohnungen geben.
2. Wie bewerten Sie die Forderung der Hans-Böckler-Stiftung ein Mietpreisniveau durchzusetzen, das niemandem ein Mietzins zumutet, der mehr als 30% seines Nettoeinkommens in Anspruch nimmt?
Hinninger:
Die Forderung nach einer Mietobergrenze wird in der Diskussion der kritischen (Fach-)Öffentlichkeit von verschiedener Seite erhoben. Ich halte sie für richtig. Insbesondere für Bezieher-innen kleiner und mittlerer Einkommen sind 30% Mietbelastung m.E. die obere Grenze des Zumutbaren.
Mende:
Ja, ich teile auf Auffassung, dass alle angemessenen Wohnraum finden müssen, der für die Kaltmiete nicht mehr als knapp ein Drittel des Einkommens „auffrisst“. Die Böckler-Stiftung hat ja festgestellt, dass in Wiesbaden fast jeder zweite Haus-halt über dieser Grenze liegt. Auch der Mieterbund Wiesbaden hat bereits im September 2017 auf dieses Problem hingewiesen. Es unterstreicht die Notwendig-keit, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dazu gehört für mich dann ein Paket an Maßnahmen: Begrenzung der Mieterhöhungen bei kommunalen Wohnungsbau-gesellschaften auf ein Prozent im Jahr und eine wirksame Mietpreisbremse, die keine Stadtteile ausklammert, wie es die Landesregierung bislang vorgesehen hat. Auch andere ehemals öffentliche Wohnungsbaugesellschaften wie die GWH soll-ten ihre Mietpreiserhöhungen auf ein Prozent im Jahr begrenzen. Im Schelmen-graben und in vielen anderen Quartieren hat die GWH zuletzt massiv die Mieten erhöht, das hat zum Beispiel der Ortsbeirat Dotzheim unter meiner Leitung deutlich kritisiert.
Rutten:
Die Forderung, nicht mehr als 30% seines Nettoeinkommens für Miete ausgeben zu müssen, ist nachvollziehbar und wünschenswert. Allerdings halte ich Instru-mente, wie die reine formale Deckelung der Kaltmiete für nicht wirkungsvoll, wie viele Beispiele der Praxis bereits zeigen. Zudem werden Mietnebenkosten, die sich quasi als zweite Miete darstellen, stets ausgeblendet. Deswegen freue ich mich, dass die FDP im Stadtparlament durchsetzen konnte, dass die Grundsteuerreform aufkommensneutral zu erfolgen hat und im Durchschnitt daher keine Mehrbelas-tungen zu erwarten sind. Auch die Tatsache, dass Energiekosten zu 81% aus staatlichen Abgaben bestehen und Wohnen daher verteuern, kritisiere ich. Preis-werte Mieten erfordern zunächst eine Zunahme des Angebots und eine Mäßigung der Gestehungskosten, die ausnahmslos steigen. Auch unter beschäftigungspoliti-schen Aspekten kann Abhilfe gedacht werden, wenn wir in Wiesbaden insbeson-dere für viele geringqualifizierte Menschen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt schaffen. Denn die Relation zwischen Einkommen und maximal 30% davon für Miete ergibt sich nicht nur aus der Miethöhe sondern auch aus der Einkommens-höhe.
Ich unterstütze daher den Wunsch, Wohnraum zu finden, der das eigene Einkom-men zu nicht mehr als 1/3 belastet. Allerdings sind die Stellschrauben dafür viel-fältig.
Seidensticker:
Das halte ich für eine unangemessene Pauschalisierung, ganz abgesehen von der rechtlichen Problemstellung bei einer etwaigen Durchsetzung der Forderung. Vielmehr halte ich die Forderung auch inhaltlich für verfehlt, weil eine Festlegung auf einen bestimmten Prozentsatz nicht zielführend ist. Die Ansprüche an Wohnen sind zu vielfältig. Daraus resultieren unterschiedliche Bedürfnisse und Bedarfe, die durch eine Festlegung auf einem bestimmten prozentualen Anteil des Nettoein-kommens nicht mehr gedeckt werden können. Ich halte es eher für sinnvoll, Men-schen, die nicht in der Lage sind aus ihren Wohnraum zu finanzieren, zu unter-stützen. Es gibt hier bereits eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten. Diese gilt es zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Allerdings ist dies nicht Aufgabe der Kommune, sondern muss auf höherer Ebene geregelt werden.
von Seemen:
Diese Forderung unterstütze ich zu 100 %.
3. Wie schätzen Sie den von unserer Nachbarkommune Frankfurt am Main durchgesetzten „Mietenstopp“ bei kommunalem Wohneigentum und bei der Nassauischen Heimstätte ein, der eine Deckelung der zulässigen Mietsteigerungen auf 1% pro Jahr beinhaltet und bis zu 10 Jahre gilt? In welcher Form halten Sie diesen Handlungsansatz auch für Wiesbaden nutzbar?
Hinninger:
Auch wenn der Anteil der städtischen Wohnungen kleiner als 10% ist, wäre eine Begrenzung der Mieterhöhungen sinnvoll. In Wiesbaden hat die Stadtverord-netenversammlung im letzten Jahr auf Initiative der Grünen beschlossen, die Mietbegrenzungsregelung analog der Nassauischen Heimstätte zu prüfen. Leider liegen die Ergebnisse hierzu trotz der Dringlichkeit bis heute nicht vor.
Mende:
Das ist bereits seit geraumer Zeit die Forderung der Wiesbadener SPD. CDU und Grüne haben Bedenken gegen eine pauschale Regelung geltend gemacht und fordern – wie Schwarz-Grün im Land bei der Nassauischen Heimstätte – eine Einkommensprüfung der betroffenen Haushalte. Ich finde das zu kompliziert. Der sogenannte „Mietenstopp“ – also die Begrenzung des Anstiegs auf ein Prozent im Jahr – könnte in Wiesbaden längst gelten, wenn auch die anderen Fraktionen dem SPD-Vorschlag gefolgt wären. Für mich gilt weiter, dass man hier mutig ein Signal setzen sollte, den entsprechenden Beschluss fasst und die Mietsteige-rungen für städtische Wohnungsbaugesellschaften generell auf ein Prozent im Jahr begrenzt.
Rutten:
Der Mietenstopp bedeutet nichts anderes als ein „Baubremse“. Ich möchte, dass die städtischen Wohnbaugesellschaften auch in Zukunft ihren Beitrag zur Errich-tung neuer Wohnungen leisten können. Dazu sind sie auf Einnahmen angewiesen. Als städtisches Unternehmen sind die Wohnbaugesellschaften jedoch auch nicht dafür da, möglichst hohe Überschüsse an die Stadt abzuführen, um dort Haus-haltslöcher zu stopfen. Mietanpassungen müssen sich daher immer am Zweck der Gesellschaft - der Bereitstellung preisgünstigen Wohnraums, also am Gemein-wohl - orientieren. Sofern auch kommunalen Wohnbaugesellschaften eine wirt-schaftliche Betriebsführung unter besonderer Beachtung ihrer sozialen Verant-wortung gewährleistet ist, befürworte ich auch, alle Möglichkeiten auszu-schöpfen, Mieten nicht über Gebühr zu erhöhen.
Seidensticker:
Kommunales Wohneigentum hat per Definition schon einen auf Gemeinwesen abzielenden Zweck. Dementsprechend wird ein Großteil der erzielten Mieten wieder in die Bestände der Wohnungsunternehmen investiert. Es geht also nicht um Maximierung der Gewinne im herkömmlichen Sinne, sondern darum, Einnah-men zu Instandhaltungszwecken und zur Entwicklung von mehr Wohnraum zu erzielen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass, wenn Mieten nicht angemessen angepasst werden, den Unternehmen mittel- und langfristig nicht mehr die Mittel für eine ausreichende Gebäudeunterhaltung, z.B. energetische Sanierung, zur Verfügung stehen. Zu bedenken ist hierbei außerdem, dass sich das Mietniveau unserer kommunalen Wohnungsunternehmen ohnehin am Mittelwert des Mietspiegels orientiert.
von Seemen:
Diese Regelung ist 1 zu 1 in Wiesbaden umzusetzen. Als Oberbürgermeister werde ich mich dafür einsetzen, dass auch in Wiesbaden der Mietanstieg begrenzt wird.
4. Was halten Sie von einer Quote für die städtischen Wohnungsbauunter-nehmen, die wie in Frankfurt am Main festlegt, welcher Anteil von Neu-bauprojekten für gemeinschaftliche Wohnprojekte vorzusehen ist?
Hinninger:
Gemeinschaftliche Wohnprojekte in den verschiedenen Ausprägungen werden erfreulicherweise für eine steigende Zahl von Menschen attraktiv. Ob hier eine starre Quote bei den städt. Wohnungsgesellschaften zielführend ist, halte ich für fraglich. Die Förderung dieser Projekte sollte durch die Stadt im Rahmen einer langfristig angelegten Bodenbevorratungspolitik erfolgen, verbunden mit einer Konzeptvergabe der Grundstücke.
Mende:
Frankfurt hat das für das Neubaugebiet Hilgenfeld vorgesehen und ich kann mir so eine Festlegung für große Projekte auch in Wiesbaden gut vorstellen, zum Bei-spiel beim Ostfeld. Das sollte aus meiner Sicht als Prototyp nachhaltiger Stadtent-wicklung geplant werden. Dazu passen auch gemeinschaftliche Wohnprojekte sehr gut. Überhaupt müssen solche Projekte stärker in den Blick genommen wer-den. Vor einigen Tagen habe ich mich mit den Beteiligten des Projekts „Horizonte“ getroffen, das eine große Bereicherung für das Neubauquartier am Weidenborn darstellt. Das Beispiele zeigt: Wenn die Beteiligten (hier in Verbindung mit der GWW) an einem Strang ziehen, kann etwas Großartiges entstehen, das dem Wort „Nachbarschaft“ wieder ganz neues Leben einhaucht. Gemeinschaftliche Wohn-projekte haben oftmals eine „Strahlwirkung“ in das gesamte Quartier - und ver-stärken dies ganz bewusst durch offene Angebote für die umliegenden Anwohner. Voraussetzung für die Förderung gemeinschaftlicher Wohnprojekte ist die soge-nannte „Konzeptvergabe“. Das heißt, Grundstücke werde nicht nach Maximalge-bot zur Verfügung gestellt, sondern danach, wie vorher festgelegte Kriterien, zum Beispiel bezahlbare Mieten oder gemeinschaftliches Wohnen, erfüllt werden. Damit gibt es „Luft“ bei der Preisgestaltung, die dringend gebraucht wird.
Rutten:
Feste Quoten suggerieren einfache Lösungen per Gesetz. Diese gibt es aller-dings nicht. Grundsätzlich halte ich es aber für begrüßenswert, dass dem Thema gemeinschaftliches Wohnen insbesondere bei städtischen Wohnbau-gesellschaften mehr Bedeutung zugemessen wird. Sofern ausreichendes In-teresse an gemeinschaftlichen Wohnprojekten vorhanden ist, werden sowohl städtische als auch private Bauunternehmer zusätzliche Angebote schaffen.
Seidensticker:
Man kann die Frage stellen, ob die städtischen Wohnungsbauunternehmen hier-für die richtigen Ansprechpartner sind. Warum soll ein kommunales Unternehmen die persönlichen Wohnwünsche einer bestimmten Zielgruppe verwirklichen, wenn diese Gruppe sich ggf. auch auf dem freien Markt versorgen kann? Studien und verschiedene Arbeiten zu Projekten gemeinschaftlichen Wohnens zeigen auf, dass sich zumindest bisher nur ein kleiner Bevölkerungsanteil gemein-schaftliches Wohnen vorstellen kann. Eine feste Quote ohne vorherige Bedarfsermittlung geht daher mit großer Wahrscheinlichkeit am Bedarf vorbei und würde Gefahr laufen eine Überregulierung darzustellen.
von Seemen:
Siehe dazu meine erste Antwort. Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind sehr unterstützenswert. Diese müssen deutlich stärker gefördert und unterstützt werden.
5. Wie stehen Sie zu der Forderung, in sämtlichen städtischen Quartieren bei Neubaumaßnahmen eine feste Quote von sozial geförderten Wohnungen vorzugeben? Welche Quote halten Sie für angemessen?
Hinninger:
Die Kooperation im Rathaus hat festgelegt, dass für Bauvorhaben ab 60 Wohnun-gen ein Anteil von 22% geförderter Wohnungen gilt, bei städtischen Gesellschaf-ten sind es 30%. Für alle Stadtteile und Quartiere halte ich eine einheitliche Quote von Sozialwohnungen im Neubau nicht für sinnvoll, da die bisherige Verteilung im Stadtgebiet höchst unterschiedlich ist. Stadtteile, in denen es schon einen hohen Sozialwohnungsanteil gibt, sollten einen deutlich geringeren Anteil beim Sozial-wohnungsneubauten haben als andere Stadtbezirke. Der Erhalt, bzw. die Wieder-gewinnung von sozialer Mischung in Wohnquartieren ist für unsere Stadt lang-fristig ebenso von großer Bedeutung wie ausreichend bezahlbare Wohnungen.
Mende:
Die Quote für sozial geförderte Wohnungen in Neubaugebieten gibt es in Wies-baden ja bereits. Sie liegt für generell bei Projekten mit mehr als 60 Wohnungen bei 22 Prozent und bei 30 Prozent für städtische Wohnungsbaugesellschaften. Das ist wichtig und sinnvoll. Eine Debatte darüber, diese Quote zu erhöhen, halte ich für erforderlich. Unbefriedigend finde ich, dass angesichts sehr langer Planungs-zeiträume immer wieder bei „Altfällen“ Vertrauensschutz zugestanden wird und Investoren sich nicht an der aktuellen Quote orientieren müssen. Angesichts der dramatischen Wertsteigerungen bei Grund und Boden ist das nicht nachvollzieh-bar. Das gilt übrigens auch für die Anwendung der Wiesbadener Sozialen Boden-ordnung (WiSoBoN), die Investoren zur finanziellen Beteiligung an sozialer Infra-struktur verpflichtet.
Auch in dem Preissegment oberhalb von Sozialwohnungen besteht im Übrigen dringender Handlungsbedarf. Gerade Wohnungen für Haushalte mit mittlerem Einkommen werden dringend benötigt. Auch dazu kann gerade die Konzeptvergabe einen wichtigen Beitrag leisten.
Rutten:
Bereits heute verfügt die Landeshauptstadt Wiesbaden über eine solche Quote. Sie beträgt 30 Prozent für städtische Gesellschaften und 22 Prozent für private Bauherren. Dennoch scheitert die Stadt an der Realität, so dass weder diese Quoten noch die versprochenen 1200 Wohnungen pro Jahr ge-halten werden. Quoten sind schnell zu Papier gebracht, oftmals war es das dann aber auch. Statt fester Quoten bei der Förderung der Wohnbausubstanz selbst, also der klassischen Objektförderung, halte ich es für sinnvoll, die subjektive Förderung der Menschen in den Blick zu nehmen. Anteile sozialen Wohnbaus sollten individuell je Bauleitplanung festgelegt werden. Fixe unver-rückbare Quoten manifestieren nämlich gleichzeitig auch die politische Haltung, soziale Notlagen perspektivisch nicht abbauen zu können/wollen.
Seidensticker:
Bei größeren Projekten ist dies bereits jetzt Realität. 30% sind in Ordnung. Eine Anwendung auf sämtliche Neubaumaßnahmen wäre auch hier kaum zielführend und gerade bei kleinen Projekten nicht umsetzbar. Die bürokratischen Hemmnisse würden den Nutzen bei weitem übersteigen.
von Seemen:
Wir brauchen feste Quoten. 40-50% halte ich für angemessen
6. In dem geplanten Nachverdichtungsgebiet Schelmengraben sorgen die Verhältnisse (Leerstand, Verwahrlosung) in und um das rote Hochhaus für Unmut und eine Beeinträchtigung des Ansehens der gesamten Wohnsiedlung. Welche Möglichkeiten sehen Sie diesen Missstand rasch zu beheben? Was halten Sie davon, in diesem Fall das gesetzliche Vor-kaufsrecht anzuwenden oder das Anwesen direkt zu erwerben?
Hinninger:
Der Verkauf des roten Hochhauses ist Folge einer falschen Orientierung öffent-licher Wohnungsgesellschaften. Dies ist nicht in Verantwortung der Stadt Wies-baden geschehen. Insofern ist grundsätzlich diese Gesellschaft mit ihren Eigentü-mern gefordert, den Schaden zu beheben. Eine Initiative von Grünen und SPD zur Ausübung des Vorkaufrechtes durch die Stadt wurde im Planungsausschuss durch eine Mehrheit der anderen Parteien abgelehnt.
Mende:
Der Zustand des „Roten Hochhauses“ und des Einkaufszentrums daneben ist eine Schande, das Areal ein Schandfleck. Die Situation rund um das Einkaufszentrum bereitet mir als Dotzheimer Ortsvorsteher schon seit geraumer Zeit Kopfzerbre-chen. Nicht nur für die Menschen im Quartier, insbesondere die Mieterinnen und Mieter im Roten Hochhaus mussten in den letzten Jahren einiges durchstehen. Ich hoffe, dass der neue Eigentümer die Missstände ernst und vor allem endlich in Angriff nimmt. Leider ist der Einfluss der Stadt auf derartige Entwicklungen sehr begrenzt. Gern hätte ich es gesehen, dass die Stadt sich ein Vorkaufsrecht sichert, falls die neuen Inhaber doch an Weiterverkauf denken. Leider haben CDU, FDP und AfD das im zuständigen Ausschuss nicht mitgetragen.
Rutten:
Die Verhandlungen mit Investoren sind rasch voranzubringen, um die unbe-friedigende Situation zu beenden. Grundsätzlich ziehe ich eine quartiergerech-te Umsetzung durch einen privaten Investor vor, wenn gesichert ist, dass die kommunalen Wohnbauinteressen gewahrt bleiben. Die Frage einer eventu-ellen Vorkaufssatzung befindet sich derzeit in Diskussion. Derzeit ist die Mehrheit des zuständigen Ausschusses der Auffassung, dass eine Vorkaufs-satzung rechtlich aufgrund der nicht ausreichend umfangreichen, städtebau-lichen Maßnahmen keinen Bestand hätte. Dem schließe ich mich derzeit an.
Seidensticker:
Sofern bauordnungsrechtliche Probleme bestehen, muss die Bauaufsicht der Stadt tätig werden. Sollte die Liegenschaft zum Verkauf stehen, käme auch die Aus-übung eines Vorkaufrechtes in Frage. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Stadt ein großes Interesse daran hat, das Gelände um das Rote Hochhaus zu attraktivieren. Das gilt insbesondere auch für eine Belebung des Einkaufs-zentrums.
von Seemen:
Die Stadt sollte so viele Immobilien erwerben wie es ihr möglich ist. Das gilt natürlich auch für das rote Hochhaus. Nur als Eigentümer haben wir die Rahmen-bedingungen der Mieter*innen in der Hand.
7. Wie beurteilen Sie den Vorschlag, parallel zum Quartiersmanagement im Schelmengraben, ein Leerstandsmanagement (incl. Leerstandskataster) für die ganze Stadt Wiesbaden einzurichten?
Hinninger:
Wohnungsleerstand ist eine Form der Zweckentfremdung und die gilt es zu ver-hindern. Alle hierfür erforderlichen Instrumente müssen dafür genutzt werden – in der ganzen Stadt.
Mende:
Ein so genanntes Leerstandsmanagement bzw. -kataster halte ich grundsätzlich für sinnvoll. Wir müssen uns meines Erachtens dringend darum kümmern, Kennt-nisse über den Leerstand und den zweckentfremdeten Wohnraum in Wiesbaden zu erhalten und anschließend ein entsprechendes Management aufzubauen. Wichtiger als ein Kataster ist aber effektives Vorgehen gegen spekulativen Leer-stand. Leider fehlt den Kommunen dafür das Instrument: 2004 wurde das Zweck-entfremdungsverbot unter der CDU-geführten Landesregierung außer Kraft ge-setzt. Den Vorstoß der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag für ein Wohnraum-schutzgesetz, um wieder eine Rechtsgrundlage zu schaffen, halte ich für sehr sinn-voll. Offensichtlich erkennt die schwarz-grüne Mehrheit im Landtag die Notwen-digkeit immer noch nicht an.
Rutten:
Die Verwaltung benötigt einen transparenten Überblick über die Lage des Woh-nungsmarktes: Daher ist es auch wichtig, Leerstände zu kennen und im Rahmen des Möglichen städtisch zu managen. Ein Leerstandskataster löst jedoch keine Probleme. Auf nichtgenutzte Immobilien in Privateigentum hat die Stadt keine Zugriffsmöglichkeiten.
Seidensticker:
Nichts! Außer weitere Bürokratie wird hiermit nichts geschaffen. Und bürokra-tische Hürden möchte ich gerne verringern. Durch ein Leerstandsverzeichnis wird allenfalls mehr verwaltet, aber das Problem nicht beseitigt und vor allem keine einzige Wohnung neu gebaut.
von Seemen:
Ich bin der Meinung, dass es zwingend erforderlich ist den Leerstand zu erfassen. Des Weiteren müssen wir allen Spekulanten mit Enteignung drohen, die Wohnun-gen aus Profitinteresse verwahrlosen lassen und Grundstücke nicht bebauen. Sollten diese auch nach einer bestimmten Frist nicht vermieten oder bauen, müssen sie (gegen eine geringe Entschädigung) enteignet werden.
8. Hohe Grundstückspreise erschweren, ja verhindern einen sozialen Woh-nungsbau. Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Forderung nach einem grundsätzlichen Stopp des Verkaufs kommunaler Flächen und Im-mobilien und stattdessen Eigennutzung oder Vergabe von Nutzungs-rechten, z.B. als Erbpacht?
Hinninger:
Grundstückskosten machen heute in vielen Fällen bis zu 50% der Gesamtkosten des Wohnungsbaus aus. Dies ist eine erhebliche Belastung für die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Die Kommune hat meiner Meinung nach die Pflicht, ihr Eigentum an Grund und Boden zum Gemeinwohl, also sozial zu nutzen. Hier muss Wiesbaden dringend neue Wege gehen. Erbpacht und Konzeptvergabe sind geeignete Instrumente einer sozialen Wohnungspolitik.
Mende:
Ich bin der Ansicht, dass tatsächlich Zurückhaltung beim Verkauf kommunaler Flächen angesagt ist. Erbpacht und die Grundstücksvergabe nach Konzeptvor-stellung sind hier sicherlich wirksame Instrumente. Gleichzeitig müssen wir im nächsten Schritt dafür Sorge tragen, dass bestehende Regelungen, wie die Quote für den geförderten Wohnungsbau und die Richtlinie WiSoBoN auch konsequent zum Einsatz kommen.
Rutten:
Erbpacht ist grundsätzlich ein probates Mittel, städtische Grundstücke im Eigen-tum zu halten, was für mich auch eine ernstzunehmende Option darstellt. Je nach Höhe des zu errichtenden Erbpachtzinses könnte dies für den Bauherren allerdings kostentechnisch nur geringe positive Auswirkungen haben. Deswegen bevorzuge ich einen Ausbau der Konzeptvergabe, bei der städtische Flächen nicht nach Höchst-gebot, sondern nach dem besten Bebauungskonzept vergeben werden. Die Schaffung preisgünstigen Wohnraums nimmt dort selbstverständlich eine bedeutende Rolle ein.
Seidensticker:
Es sind nicht nur die hohen Grundstückspreise, die sozialen Wohnungsbau er-schweren. Hinzu kommen auch beispielsweise die hohe Grunderwerbssteuer oder die hohen Baustandards. Die Vergabe von Erbpachtgrundstücken kann eine Mög-lichkeit sein die hohen Grundstückspreise aus den Erstellungskosten für die Ge-bäude herauszurechnen. Zu bedenken ist aber, dass dauerhaft eine Erbpacht für das jeweilige Grundstück zu zahlen ist. Und auch das kostet die öffentliche Hand Geld.
von Seemen:
Kommunale Flächen dürfen nicht meistbietend verkauft werden. Die Stadt soll selbst bauen. Auch eine Vergabe in Erbpacht ist denkbar.
9. Ist der Ankauf von Grundstücken und Immobilien für Sie eine Möglich-keit, lenkend und fördernd in die Wohnungswirtschaft einzugreifen? Wie schätzen Sie eine ausgeprägte langfristige Bodenbevorratungspolitik wie die der Stadt Ulm ein, wo man nur von der Stadt Bauland erwerben kann und die Stadt ein Wiederkaufsrecht für diese Grundstücke hat, so dass ein Weiterverkauf spekulativer Art an Dritte nicht möglich ist?
Hinninger:
Wie oben schon erwähnt, ist eine langfristige und gezielte Bodenbevorratung durch die öffentlichen Hände, insbesondere die Kommunen, die Grundlage einer sozialen Wohnungspolitik. Das Interessante am Ulmer Modell ist, dass das Wie-derkaufsrecht auf Basis des ursprünglichen Verkaufspreises ausgeübt werden kann. Zu dem auf unsere Initiative veranstalteten Wohnungshearing der Stadtver-ordnetenversammlung Ende Juni wurde auf Vorschlag der grünen Fraktion der Wohnungsamtsleiter der Stadt Ulm eingeladen. Ich bin sicher, dass Wiesbaden hier viel lernen kann.
Mende:
Knapper Grund und Boden ist eine der Hauptursachen für die drastischen Preis-sprünge auf dem Wohnungsmarkt. Deswegen finde ich das Ulmer Modell durch-aus reizvoll.
Wiesbaden ist mit der Quote für den geförderten Wohnungsbau und WiSoBoN, das eine Beteiligung an der sozialen und technischen Infrastruktur regelt , bereits einige wichtige Schritte gegangen.
Aber es ist notwendig, den Kreislauf der Spekulation zu durchbrechen. Ich finde es zum Beispiel richtig, dass im Entwicklungsgebiet „Ostfeld“ die Bodenpreise einge-froren worden sind. Das war eine wichtige Weichenstellung für dieses Gebiet.
Rutten:
Dass die Stadt sich im Rahmen notarieller Kaufverträge ein Rückkaufsrecht inner-halb eines gewissen Zeitraumes für Grundstücke, die sie selbst verkauft hat, zu-sichert, unterstütze ich.
Darüber hinaus halte ich es für sinnvoll, die Eigentümerquote für selbstgenutztes Wohneigentum, die in Wiesbaden sehr gering ist, anzuheben und es somit zum Beispiel Familien einfacher zu machen selbst nutzbares Immobilieneigentum zu begründen. Dies könnte durch so genannte „Einheimischenmodelle“ unterstützt werden. Viele der zukünftig zu erschließenden Bauflächen befinden sich in priva-ter Hand. Ein vorheriger Ankauf der Flächen durch die Stadt würde die Schaffung von neuem Wohnraum und damit eine Dämpfung der Mietsteigerungen weiter verzögern. Sinnvoller ist es, die Besitzer über Regelungen in städtebaulichen Verträgen zu verpflichten.
Seidensticker:
Mit den städtischen Wohnungs- und Immobiliengesellschaften greift die Stadt bereits lenkend, fördernd und preisstabilisierend in die kommunale Wohnungs-wirtschaft ein. Auch betreibt die Liegenschaftsverwaltung der Stadt eine Boden-bevorratungspolitik, indem sie Grundstücke in Entwicklungsflächen aufkauft (z.B. Ostfeld).
von Seemen:
Diese Regelung halte ich für nachahmenswert. Grund und Boden darf niemals Spekulanten überlassen werden.
10. In welcher Weise könnte die Stadt die genossenschaftliche Wohnungs-wirtschaft weiter fördern?
Hinninger:
Die Förderung von Wohnungsgenossenschaften sollte eine der Maßnahmen im Rahmen der sozialen Wohnungspolitik sein. Konzeptvergabe und eine soziale Bodenpolitik sind hierbei gute Ansätze, sie auch gegen kapitalkräftige Privatinves-toren zum Zuge kommen zu lassen. Auch Neugründungen von Genossenschaften können hier ihre Chance erhalten
Mende:
Mit der GENO50 haben wir in Wiesbaden bereits eine etablierte Genossenschaft, die in unterschiedlichen Stadtteilen beheimatet ist. Zudem ist das Modell des ge-nossenschaftlichen Wohnens vor allem dadurch spannend, dass nicht die Rendite-Erwartungen sondern die Förderung bzw. Unterstützung der Genossenschafts-Mitglieder im Fokus steht. Wie aber in so vielen Fällen, ist auch hier der verfüg-bare Grund und Boden ein entscheidendes Kriterium. Viele der Wohnbaugesell-schaften in unserer Stadt bauen zunächst auf eigenen Grundstücken - diese unter-liegen allerdings einer natürlicher Begrenzungen.
Deshalb wäre eine Förderung des genossenschaftlichen Bauens vor allem dadurch gegeben, wenn entsprechend Grundstücke zur Verfügung gestellt würden. Deshalb komme ich auch in der Frage erneut auf die künftige Vergabe von Grundstücken nach dem besten Konzept und nicht nach Höchstpreis.
Rutten:
Wohnungsgenossenschaften sind meine bevorzugten Bauträger für geförder-ten Wohnraum. Dort übernehmen alle Mieter gemeinsam Verantwortung für die genutzte Immobilie. Sie benötigen einen einheitlichen Ansprechpartner innerhalb der Stadtverwaltung und Unterstützung bei der Bewältigung der Bürokratie.
Seidensticker:
Hier kann die Stadt mehr oder minder nur über die Vorzüge von Genossenschaf-ten informieren. Vielen Menschen ist genossenschaftliches Wohnen möglicher-weise nicht bekannt oder mangels Kenntnissen gar suspekt. Information, mögli-cherweise in Form einer Kampagne oder Auslage von Infomaterial an geeigneten, hoch frequentierten Stellen, kann eine mögliche Form der Förderung sein.
von Seemen:
Die Vergabe von Grundstücken soll nicht nach Höchstpreisen erfolgen. Es soll nach dem besten Konzept vergeben werden oder selbst gebaut werden.
11. In vielen Städten (Frankfurt, Hamburg, Nürnberg z. B.) gibt es Erhal-tungssatzungen die die besondere Eigenarten eines Gebietes oder eines sozialen Milieus schützen sollen. Würden Sie einen Erlass derartiger Satzungen in Wiesbaden unterstützen? Wenn ja, für welche Gebiete?
Hinninger:
Erhaltungssatzungen nach dem Baugesetzbuch wurden in Wiesbaden bereits in den 90er Jahren erlassen. Sie sind (auch) ein Instrument gegen die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Allerdings muss die Kommune das Vorkaufs-recht zu dem Preis ausüben, den die privaten Vertragspartner ausgehandelt haben. D.h. sie muss ggf. den Spekulationspreis bezahlen. Das Vorkaufsrecht wurde deshalb nur selten ausgeübt. Inzwischen sind zahlreiche Mietwohnungen umgewandelt, insbesondere in den innenstadtnahen Wohnquartieren. Dennoch sollte untersucht werden, wo der Erlass solcher Satzungen heute sinnvoll ist.
Mende.
In Hessen ist die Rechtslage leider nicht ausreichend. Milieuschutzsatzungen, mit denen die Umwandlung in Eigentumswohnungen verhindert werden könnten, gibt das Landesrecht leider nicht her. Auch hier ist Schwarz-Grün zu zurückhal-tend. Machbar sind – wie in Frankfurt – Satzungen, die Luxusmodernisierungen, wie zum Beispiel übergroße Balkone oder Dachterrassen sowie Aufzüge für einzel-ne Stockwerke, untersagen, ebenso wie Abriss, Umnutzung von Wohnungen in Büros und die Zusammenlegung von Wohnungen zu übergroßen Einheiten. Ich stehe dem auch für Wiesbaden absolut offen gegenüber. Und wenn das Landes-recht endlich wirksame Hebel schafft, um die Verdrängung von Mieterinnen und Mietern zu verhindern, sollten wir die auch hier nutzen.
Rutten:
Wiesbaden hat eine lange Tradition von Erhaltungssatzungen, die dazu dienen sollen, den städtebaulichen Charakter der Vororte zu erhalten. Solange behutsam mit diesem Mittel umgegangen wird und auch innovatives Bauen im Rahmen dieser Satzungen möglich ist, unterstütze ich solche Satzungen. Milieuschutz-satzungen lehne ich dagegen ab. Sie schützen meiner Meinung nach soziale Durchmischung nicht und bremsen eine Steigerung der Wohnqualität.
Seidensticker:
Der Erlass derartiger Satzungen ist für eine Stadt in der Größe von Wiesbaden nicht erforderlich. Dadurch würden weitere Auflagen und Vorschriften geschaffen, die Bauen, Entwicklung und auch die Schaffung von Wohnraum erschweren würden.
von Seemen:
Erhaltungssatzungen halte ich für sehr sinnvoll, besonders im Bergkirchenviertel und dem Westend.
12. In welchen Gremien würden Sie sich dafür einsetzen, dass die neue Grundsteuer nicht an die Mieter weitergegeben werden darf, sondern ausschließlich der Eigentümer hierfür heranzuziehen ist?
Hinninger:
Der deutsche Städtetag ist die richtige Adresse für Forderungen der Stadt an den Bundesgesetzgeber. Darüber hinaus kann über die innerparteiliche Schiene Ein-fluss genommen werden. Die grüne Bundestagsfraktion vertritt bereits die Forde-rung, die Grundsteuer nicht mehr auf die Mieterinnen und Mieter umzulegen.
Mende.
Der Vorschlag von Bundesjustizministerin Katarina Barley resultiert aus den Über-legungen zu anstehenden Grundsteuerreform, die in diesem Jahr erfolgen muss. Durch das Verbot, die Grundsteuer umzulegen, sollen Mieterinnen und Mieter vor einem drohenden deutlichen Anstieg geschützt werden. In den Gremien des Hessischen Städtetags und des Deutschen Städtetags würde ich mich dafür ein-setzen, dass diese Regelung Bundesrecht wird.
Rutten:
Wir haben auf Antrag der FDP gerade im Parlament beschlossen, dass die Grund-steuerreform in Wiesbaden aufkommensneutral zu erfolgen hat, sodass im Durchschnitt keine Erhöhung der Grundsteuer erfolgen wird und daher im Ergeb-nis durchschnittlich auch keine Erhöhung der entsprechenden Nebenkosten für die Mieter. Im Rahmen des Hessischen und des Deutschen Städtetages werde ich mich dafür einsetzen, dass der Staat durch landes- und bundesgesetzliche Rege-lungen nicht mehr Baukostentreiber Nr. 1 ist. Diese zusätzlichen Errichtungskosten befördern steigende Mieten.
Seidensticker:
Grundsatz für die Neufestsetzung der Grundsteuer muss es sein, die Steuer nicht weiter anwachsen zu lassen. Hierfür wird die Stadt über die entsprechenden Stell-schrauben verfügen. Das ist aus meiner Sicht auch der zu verfolgende Ansatz-punkt in Bezug auf die angesprochenen Gremien. Denn der Ansatz nur die Eigen-tümer mit der Grundsteuer zu belasten, ist zu kurz gedacht. Würde dieser ver-folgt, würde die Grundsteuer in die Mieten einkalkuliert mit dem Resultat, dass die Mieten steigen würden. Dann wäre das Gegenteil des Beabsichtigten erreicht. Dies gilt es durch Einflussnahme der Stadt zu verhindern.
von Seemen:
Das wird der Bundestag und der Bundesrat entscheiden. Über den Städtetag können Oberbürgermeister versuchen Einfluss zu nehmen. Das würde ich auch tun.