Stellungnahme der BI Gemeinwohl zum städtischen Haushalt, 31.07.2015:
Muss sich Wiesbaden krank sparen? Wir sagen NEIN!
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Stellungnahme der BI Gemeinwohl zum städtischen Haushalt, 31.07.2015:
Muss sich Wiesbaden krank sparen? Wir sagen NEIN!
Noch Ende 2014 protzte die Regierungskoalition mit der guten wirtschaftlichen Lage Wiesbadens. Im Frühjahr 2015 packte sie das ganz große Bockshorn aus und warnte vor Haushaltslöchern in der
Größenordnung von 50 bis knapp 60 Millionen Euro. Es sei dahin gestellt, ob diese düsteren Vorhersagen etwas mit der Realität zu tun haben oder ob sich die beschworenen Defizite nach den
Haushaltsberatungen in Wohlgefallen auflösen, wenn sie ihren Zweck der Einschüchterung und Mittel-Umverteilung erfüllt haben. Doch eines steht fest: Die Stadtregierung hat es in der Hand, die
Einnahmesituation der Stadt rasch zu verbessern und den vorgeblich alternativlosen Sparzwängen nachhaltig entgegen zu wirken .
Kommunale Steuern anheben
Ein absolutes Muss dabei ist, dass die von Kämmerer Axel Imholz angedachte, aber in der Koalition umstrittene Anhebung der Grund- und Gewerbesteuer bzw. Erhebung einer Zweitwohnsitzsteuer voll
ausgeschöpft wird. Der Kämmerer selbst macht geltend, dass der Hebesatz der Gewerbesteuer wieder auf das ursprüngliche Niveau von 2001 angehoben werden kann, weil die Hebesätze auch im Umland
zwischenzeitlich angezogen sind. Die Auswirkungen einer solchen Anpassung träfen die größten (etwa 20) Wiesbadener Unternehmen, die sich dies durchaus leisten könnten. Das Risiko einer
Steuerflucht bestehe nicht. Bis zu 12 Millionen Euro lassen sich allein mit dieser Steuer-Korrektur einspielen und jeder zusätzliche Hebe-Punkt würde uns pro Jahr dem Vernehmen nach zusätzliche
600.000 Euro verschaffen. Deshalb darf die Stadt hier keine halben Sachen machen.
Zustehende Gelder einfordern
Das Land Hessen leitet die Wiesbaden zustehenden Mittel nicht in vollem Umfang weiter, sondern nimmt Abschläge vor. Zugleich werden unserer Stadt von Bund und Land Aufgaben aufgebürdet,
ohne für vollen Kosten-Ersatz zu sorgen. Und überdies weigert sich das Land, Wiesbadener Sonderbelastungen (z.B. durch die Ansiedlung des US Headquarters) als solche anzuerkennen und
auszugleichen. Der Schaden dieser Mittelverweigerung geht in die Millionen. Alleine das Milliardenprogramm der Bundesregierung zur Förderung der Infrastruktur der Kommunen würde bei korrekter
Durchleitung durch das Land der Stadt Wiesbaden 2016 rund 10 Millionen, 2017 etwa 25 und 2018 sogar 50 Millionen Euro Mehreinnahmen bringen. Das Land will diese Mittel jedoch im Rahmen des
Kommunalen Finanzausgleichs (KFA) genau um diese Beträge kürzen, sodass in der Stadt nichts ankäme.
Selbst eine vergleichsweise reiche Stadt kann sich diesen fortgesetzten Aderlass nicht leisten. Gute Worte allein werden nicht ausreichen, um das Land von dieser unsäglichen Praxis abzubringen.
Vielmehr muss Wiesbaden gegenüber der Genehmigungsbehörde klar stellen, dass ihr diese Mittelverweigerung die Vorlage eines „ausgeglichenen Haushaltes“ unmöglich macht.
Tatsächlich gilt: Solange die Zahlungsmoral des Landes derart zu wünschen übrig lässt, entspricht eine rechnerische Netto-Neuverschuldung „Null“ Wiesbadens einer Mogelpackung. Unterlassene
Infrastruktur-Investitionen für Schulen, Straßen, Sportstätten, Klimaschutz etc. sowie eine verstümmelte Bildungs-, Sozial- und Kulturlandschaft sorgen in Zukunft für Kostenbelastungen, die um
ein Vielfaches höher sind als rechtzeitige Vorsorge.
Kreditblockade brechen – Zukunftsprogramm starten
Ein Ende der Unterwürfigkeit ist auch überfällig in Hinsicht auf die Unduldsamkeit des Landes gegenüber der Aufnahme neuer Kredite für Bauvorhaben. Sie sind derzeit unschlagbar günstig -
selbst Vertreter von CDU und FDP räumen ein, dass es Wiesbaden erlaubt sein muss, diese Chance zu nutzen. Ein solches kreditfinanziertes Wiesbadener „Zukunftsprogramm“ würde das lokale Handwerk
stärken, dem Arbeitsplatzerhalt dienen und käme über die entsprechenden Steuereinnahmen auch dem kommunalen Haushalt zu Gute.
Gewinne für das Gemeinwohl nutzen
Manche städtische Beteiligungsgesellschaften horten totes Kapital, das es unverzüglich produktiven Zwecken zuzuführen gilt. So haben z. B. die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden (KMW) einst ca. 300
Millionen Euro als Rücklage für den Bau eines Kohlekraftwerks gebildet. Rund ein Viertel dieser riesigen Summe steht Wiesbaden zu. OB Sven Gerich hat eingeräumt, dass sich die Anteilseigner in
der Vergangenheit die eine oder andere Sonderausschüttung aus diesem KMW-Topf geleistet haben. Was in der Vergangenheit ohne vorgebliche Haushaltsnot möglich war, darf jetzt nicht zum Tabu
erklärt werden. Nicht nur an dieser Stelle lässt sich die eine oder andere Million frei schaufeln. Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn sich aus dem jährlichen Gesamthaushalt aller in der
WVV–Holding zusammengefassten städtischen Beteiligungs- und Eigengesellschaften der LHW von stolzen 1,9 Milliarden Euro (Bilanz 2013) nicht ein zweistelliger Millionenbetrag für die
Gegenfinanzierung überfälliger Infrastruktur-Investitionen finden ließe.
Die Stadt-Oberen sind gefordert, die Ausweitung der verfügbaren Haushaltsmittel für die kommenden beiden Jahre mit all ihrer Kraft in die Wege zu leiten.
Die Initiative „Gemeinwohl hat Vorfahrt“ fordert:
Sprecher der Initiative Gemeinwohl hat Vorfahrt, 31.07.2015
Bernd Meffert
Hans-Georg Heinscher